Landschaftsgestalter for free
Biber erschaffen im Nationalpark wertvolle Landschaften mit einer beeindruckenden Artenvielfalt
Eintrag Nr. 30/2022
Datum: 27.06.2022
Grafenau. Über 100 freie Mitarbeiter hat die Nationalparkverwaltung, für die kein Lohn, keine Sozialversicherung und auch kein Rentenbeitrag gezahlt werden muss. Und obwohl sie nichts für ihre Dienste erhalten, ist ihr Fleiß ungebrochen. Gemeint sind die Biber, die quasi gratis wertvolle Landschaften mit einer beeindruckenden Artenvielfalt erschaffen.
1867 fiel der letzte Biber in Bayern der Jagd zum Opfer. Erst 100 Jahre später begann man, diese Art wiederanzusiedeln. Mit Erfolg. Doch was das Herz der Naturschützer höherschlagen lässt, kann für manchen Grundbesitzer eine Last sein. Ein Biber kann Obstwiesen und Felder unter Wasser setzen sowie Uferböschungen untergraben. Ausgeglichen werden diese Schäden über das Bayerische Bibermanagement. So sollen Konflikte zwischen Mensch und Tier gelöst werden.
Im Nationalpark Bayerischer Wald wird die Bauarbeit der Nager nicht als Schaden, sondern als Teil der Natur gesehen. „Der Biber ist ein wahrer Ökosystem-Ingenieur und kann Lebensräume gestalten, wie es sonst keiner Art gelingt“, er - klärt Prof. Marco Heurich, Leiter des Sachgebietes Wildtiermonitoring. Müsste der Mensch die Arbeit der Nagetiere und das daraus hervorgehende Resultat nachahmen, wäre es mit viel Aufwand und hohen Kosten verbunden.
174 funktionsfähige Dämme im Nationalpark
Durch die Dämme der Biber werden Bäche aufgestaut, die Pegel und Fließgeschwindigkeiten verändern sich. Größere Wasserflächen mit viel Totholz entstehen. „Das sind strukturreiche Lebensräume, die vielen gefährdeten Arten, wie Eisvogel oder Schwarzstorch, Zuflucht bieten.“ Eine Studie hat ergeben, dass 196 Arten im Nationalpark ausschließlich an Biberteichen vorkommen. Deshalb ist der Nationalpark als Schutzraum für den Biber von großer Bedeutung.
Auf der gesamten Nationalparkfläche gibt es 174 funktionsfähige Dämme deren Gesamtlänge 1200 Meter beträgt. Hier - durch wurden Wasserflächen mit einer Größe von geschätzt 47.981 Quadratmetern aufgestaut, das sind fast sieben Bundesliga-Fußballfelder. 22 der 31 bekannten Reviere sind nach wie vor von Bibern besetzt, neun wurden aufgegeben. „Dies kann dann passieren, wenn die Vegetation nicht den Bedürfnissen des Bibers entspricht“, so Heurich. Sind im Umkreis des Gewässers alte fichtendominierte Bestände mit wenig Weichholz, wie Weiden oder Erlen, zu finden, ist das Revier unattraktiv. „Am Rachelsee beispielsweise lebte einige Zeit ein Biber, mittlerweile ist er wieder umgezogen. Es gab hier einfach zu wenig Nahrungsressourcen.“
So bereichernd der Biber für die Artenvielfalt im Nationalpark ist – in manchen Bereichen stoßen dann aber auch im Schutzgebiet die Interessen von Tier und Mensch aufeinander. Und zwar dann, wenn der Biber dort baut und staut, wo der Besucher wandern, langlaufen oder Rad fahren möchte. „Im Nationalpark hat der Biber grundsätzlich Vorrang, bei überschwemmten Wegen werden von uns Bohlenstege gebaut oder Wanderrouten verlegt“, erklärt Marco Heurich. So kommen die Menschen nach wie vor in den Naturgenuss – und der Biber kann weiter gestalten.
Der Artikel ist in der Frühjahrsausgabe 2022 der Zeitschrift "Unser wilder Wald" erschienen. Das Heft gibt es auf der Homepage des Nationalparks Bayerischer Wald zum Download.