Eintauchen ins Waldgeschichtliche Museum
Den gesamten Bayerwald auf drei Etagen erleben
Eintrag Nr. 39/2019
Datum: 16.11.2019
St. Oswald. Jahrmillionen alt. Voller Traditionen. Wald- und steinreich. Wildnis pur. All diese Attribute passen perfekt zum Bayerischen Wald. Zu einer Region, die sich natürlich über ihre einzigartige Landschaft definiert. Dort aber noch längst nicht aufhört. Was das Gebiet an der Grenze zu Tschechien so besonders macht, kann die ganze Familie im Waldgeschichtlichen Museum St. Oswald erkunden. Die Nationalpark-Einrichtung ist auch in der staden Zeit geöffnet – ein perfekter Ausflug nicht nur für Schmuddeltage.
„Hier lauern ganz viele Geschichten. Und die bieten wiederum sehr schöne Einblicke in die Geschichte der ganzen Region“, sagt Museumsleiter Christian Binder, der gerade eine Gruppe durch das Haus führt. Seine Lieblingsgeschichte wartet im Obergeschoss auf die Besucher. Dort findet man ein mannsgroßes Schwarzweißbild von neun säuberlich aufgereihten Personen. Es zeigt die Bewohner eines heimischen Bauernhofs am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Auswanderungsträume, romantische Pilger-Geschichte und die Sehnsucht nach dem eigenen Haus
Vom Bauern über dessen Frau und die gemeinsamen Kinder bis hin zum Knecht um zum kinderlosen Bruder des Bauern. Jeder Abgelichtete verrät auf Knopfdruck etwas über sein Leben. Da werden Auswanderungsträume kundgetan, eine pilgernde Kennenlern-Geschichte oder der Wunsch nach einem eigenen Häuschen. „Das ist eine Installation, bei der viele Emotionen transportiert werden“, so Binder. „Und unsere Gäste werden sogleich in eine ihnen vollkommen unbekannte Epoche entführt. Dank der authentischen Statements kann man sich gleich hineinversetzen in diese entbehrungsreiche Zeit.“
Das Museum funktioniert aber auch prima ohne Führung. Das liegt zum einen schon an der Konzeption der Ausstellung. Dabei haben viele Kinder aus der Gegend aktiv mitgewirkt. Die Idee vom Treppenbaum, der sich durch alle drei Etagen zieht, hat zum Beispiel ein Viertklässler zu Papier gebracht. „Wir haben das dann quasi 1:1 umgesetzt – inklusive Nest am oberen und Höhle am unteren Ende“, erzählt Binder. Der begehbare Baum sei nun so etwas wie das Kinderreich im Museum. Und auch hier werden Infos plastisch weitergeben – zum Beispiel, wie in der Rinde Nährstoffe transportiert werden.
Wenn aus der Fichte Udo Wachtveitls Stimme kommt
Die Natur spielt natürlich auch außerhalb des Treppenbaums eine große Rolle. Im Erdgeschoss kommen etwa viele Baumarten zu Wort. Da erzählt unter anderem Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl vom Brotbaum der Region, der Fichte. Gleich daneben stehen die tierischen Bewohner um Hirsch und Co. im Fokus. Und gleich am Eingang des Stockwerks geht’s in die Magmakammer, die die Entstehung des heutigen Mittelgebirges erklärt. Kaum einer wird vorher zum Beispiel gewusst haben, dass der Bayerwald einst über 6000 Meter hoch war.
An vielen Stellen werden alle Sinne bedient. Anfassen, Riechen, Hören. Als Binder mit seiner Gruppe weiter durchs Obergeschoss zieht, sitzt schon eine andere Besucherin in den Hörsesseln und lauscht – wieder gibt’s spannende Geschichten. Dort kommen schließlich bekannte Waidler zu Wort: Adalbert Stifter, Emerenz Meier oder Hans Watzlik. Etwas weiter wird’s traditionell. Schon einmal was vom Ratschen gehört? Oder vom Wasservögelsingen? Oder gar vom Wolfauslassen? Nicht? Die Dreifach-Installation zu den Bräuchen der Region klärt auf, was dahintersteckt. Zugleich kann man seinen Kopf direkt reinstecken ins Geschehen. „Wer will zuerst“, fragt Binder und sogleich wagen die Ersten einen Blick in die Kulisse und sind sofort Teil der gelebten Traditionen.
Die Schätze der Region: Granit, Holz, Natur und Glas
Im Keller wird’s dann etwas wirtschaftlicher. Wie wurde früher das Holz aus dem Wald gebracht? Was steckt hinter der Spiegelauer Waldbahn? Warum spielt Glas so eine wichtige Rolle in der Region? Was kann man alles aus Granit herstellen? Welche Rolle spielt der Nationalpark für den Tourismus? Binder entlässt seine Gruppe hier, damit sich jeder der Frage widmen kann, die ihn am meisten interessiert.
„Das tolle am Waldgeschichtlichen Museum ist, dass wir einen gelungenen Rundumschlag über die Themen bieten, die es vor Ort gibt“, ist der Museumsleiter überzeugt. „Jeder der bei uns war, ist mit den wichtigen Dingen des Bayerwalds in Kontakt gekommen.“ Binder verabschiedet sich und geht am Treppenbaum vorbei nach oben. Aus der Wurzelhöhle erklingen gerade Märchen, die sich ein paar Kinder anhören. „Auch das sind tolle Geschichten. Und der Platz da unten ist für unsere jungen Besucher einfach ein toller Rückzugsort.“
Tipp: Wer mit einer Gruppe ins Waldgeschichtliche Museum kommt, kann vorab eine individuelle Führung buchen. Dafür einfach spätestens eine Woche vor dem Termin telefonisch anmelden: 08552 9748890. Das Museum hat von Dienstag bis Sonntag täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Montag ist Ruhetag – außer an Feiertagen. Außerdem ist von 23. bis 25. Dezember geschlossen. Adresse: Klosterallee 4, 94568 St. Oswald. Mehr Infos: www.nationalpark-bayerischer-wald.de.
Text: Gregor Wolf