Das Haus zur Wildnis hat einen Baum unterm Dach
Neue Dauerausstellung im Nationalparkzentrum Falkenstein ist bis Jahresende 2022 fertig
Eintrag Nr. 27/2022
Datum: 27.06.2022
Ludwigsthal. Haben Bäume ein Dach über dem Kopf? Im Nationalpark gibt es nur einen, der im Trockenen steht. Und zwar im Haus zur Wildnis. Dort öffnet sich gerade ein neues Kapitel – und ein altes schließt sich. Seit der Gründung im Jahr 2006 wurde den Besuchern der Kreislauf aus Werden, Wachsen und Vergehen nähergebracht. 15 Jahre später hatten die Informationstafeln und interaktiven Stationen ihre beste Zeit hinter sich und wurden aussortiert. Ein Grund zum Traurigsein ist dies nicht: Auf dem freien Platz entsteht gerade eine neue Dauerausstellung – und diese ist deutschlandweit einmalig.
98 Prozent der Nationalpark-Fläche sind Wald. Daher war es naheliegend, dass die Entwicklung dieser Wälder in der neuen Ausstellung die Hauptrolle spielen soll, er - innert sich Achim Klein, Leiter vom Haus zur Wildnis, an den Beginn der Planungen zurück. Schnell stand für das Planungsteam fest, dass sich die Bedeutung alter Wälder in ihrer Vielfältigkeit am besten rund um einen großen, alten, abstrahierten Baum erklären lässt. „Also haben wir beschlossen, einen Baum ins Haus zu bauen.“ Und zwar so groß, dass die Besucher schon beim Haupteingang im Obergeschoss die Äste mit Blättern erkennen können.
Kreislauf aus Werden und Vergehen
Dieser große Lebensbaum steht stellvertretend für die langsamen Veränderungen, die in einem Naturwald über Jahrzehnte hinweg stattfinden. „Wenn Bäume sterben, entstehen Lücken im Kronendach und Licht fällt auf den Waldboden“, erklärt Achim Klein. „Sämlinge haben nun die Chance, zu keimen und zu neuen Bäumen heranzuwachsen, die ihrerseits ein sich ständig ändernder Lebensraum sind.“ Das Kronendach schließt sich wieder und der Kreislauf aus Werden und Vergehen beginnt von vorne. Doch nicht nur diese langfristigen Veränderungen werden in der neuen Dauerausstellung gezeigt. Auch kurzfristige Störungsereignis - se spielen eine Rolle. Sturmwürfe oder der Befall von Fichten durch den Borkenkäfer können innerhalb kürzester Zeit gravierende Auswirkungen für den Lebensraum haben. Für diesen treibenden Prozess steht in der zukünftigen Ausstellung ein umgestürzter Wurzelteller.
Der Bau all dieser Elemente ist für den zu - ständigen Ausstellungsbauer eine große, aber spannende Aufgabe. Deutschlandweit gibt es zeitgleich kein zweites Vorhaben in dieser Größenordnung. „Dass es eine echte Herausforderung ist, haben wir vor allem beim Einbau des Baums gemerkt“, so Klein. Das Stahlgerüst wurde mit Kränen Stück für Stück aufgebaut. Tatkräftige Unterstützung erhielten die Baufirmen auch von den Nationalparkmitarbeitern. „Mitdenken, hinlangen, aufpassen“ lautete Tag für Tag die Devise. Letztendlich hat sich dieser Einsatz gelohnt. Das Gerüst sah immer mehr wie ein Baum aus, mittlerweile wird an der Fertigstellung intensiv gearbeitet. Wenn alles nach Plan läuft, können die Besucher die fertige Dauerausstellung zum Jahresende bestaunen.
Wurzelgang und Nachtraum bereits fertig
Und nicht nur der große Ausstellungsbaum erwartet dann die Gäste vom Haus zur Wildnis. Bereits jetzt wird, was unter der Erde geschieht, unter die Lupe genommen - und zwar im Wurzelgang. Neu ist dieser Teil der Ausstellung nicht. Die Attraktion, in der Besucher auf die Größe einer Maus schrumpfen und die unterirdischen Prozesse hautnah erleben können, gibt es seit der Gründung vom Haus zur Wildnis. Aber auch an diesem Bereich hat der Zahn der Zeit genagt. „Viele interaktive Stationen haben nicht mehr funktioniert“, sagte Achim Klein und ergänzt: „Wenn im Jahr 120 000 Besucher durchs Haus gehen, ist vieles abgegriffen, das ist ganz normal.“
Deshalb wurden zahlreiche Elemente überarbeitet und neu konzipiert, wie zum Beispiel das Thema Mykorrhiza, das Zusammenleben von Pilzen und Pflanzen. Darüber hinaus sind auch neue Themen hinzugekommen, wie die Aasforschung, die im Nationalpark eine wichtige Rolle spielt. Unter anderem ist im Höhlenkino dazu ein Film über Totengräberkäfer zu sehen.
Bei jedem Besuch eine neue Entdeckung
Ebenfalls fertig gestellt ist auch der neu entstandene Nachtraum. Der Name spricht für sich, Besucher können hier innerhalb weniger Minuten einen Nachtzyklus im Nationalpark erleben. Geschärft wird hier vor allem der Gehörsinn. Kauz, Luchs und Wolf sind nicht die einzigen Töne, die man zu hören bekommt. Auf welche Geräusche sich das Team vom Haus zur Wildnis freut, ist klar: Auf begeisterte Unterhaltungen von Besuchern, die endlich wieder in die Ausstellung kommen können. Die Zeit, in der eine riesige Plane den Eingangsbereich von der Ausstellungshalle getrennt hat, war lang. Es wird Zeit, dass die Bauarbeiten nun ein Ende finden. Und dann kann das große Erkunden losgehen. Ein Aufenthalt im Haus zur Wildnis reicht hier sicher nicht aus, ist sich Achim Klein sicher. „Wir werden hier so viele Inhalte haben, dass man bei jedem Besuch immer wieder was Neues entdecken kann.“
Der Artikel ist in der Frühjahrsausgabe 2022 der Zeitschrift "Unser wilder Wald" erschienen. Das Heft gibt es auf der Homepage des Nationalparks Bayerischer Wald zum Download.