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Im Tod tobt das Leben

Aas ist ein wahrer Hotspot der biologischen Vielfalt - Viele Arten profitieren von Kadavern in der Natur

Eintrag Nr. 53/2022
Datum:


Der Tod ist nicht das Ende. Von Aas, das im Wald verbleibt, profitieren viele Arten, wie diese Amsel. Foto: Andreas Rückerl
Der Tod ist nicht das Ende. Von Aas, das im Wald verbleibt, profitieren viele Arten, wie diese Amsel. Foto: Andreas Rückerl

Auch spektakuläre Arten, wie der Seeadler, kamen zu den ausgelegten Kadavern.
Auch spektakuläre Arten, wie der Seeadler, kamen zu den ausgelegten Kadavern.

Viele Arten sind auf die Ressource Aas angewiesen. Foto: Heiko Bellmann
Viele Arten sind auf die Ressource Aas angewiesen. Foto: Heiko Bellmann

Grafenau. Die Natur kennt keine Verschwendung. So ist auch der Tod nicht umsonst. Tote Tiere sind ein Lieferant für neues Leben. Bakterien und Pilze leisten dabei Gewaltiges. Um den Laden am Laufen zu halten, kommt es eben oft auf die Kleinsten an.

Was passiert eigentlich mit großen Tierkadavern im Wald? Antworten darauf liefert ein neuer Forschungsschwerpunkt des
Nationalparks. Denn: Die natürlichen Prozesse der Zersetzung von Kadavern finden in der mitteleuropäischen  Kulturlandschaft nahezu nicht mehr statt. Nicht einmal in Nationalparks ist es üblich, Rothirsch, Reh und Co. nach ihrem Ableben im Wald zu belassen. Dabei ist Aas ein wahrer Hotspot der biologischen Vielfalt. Profiteure sind nicht nur Bakterien, Pilze und große Beutegreifer – sondern vor allem Insekten.

UNFALLWILD FÜR DEN WILDEN WALD

Tierkadaver stellen die nährstoffreichste Form toter organischer Materie dar. So entspricht ein verwesender Hirschkadaver
auf kleiner Fläche ungefähr demselben Ressourcenwert wie eine 100-jährige Düngung. Der Effekt hat also eine hohe
Konzentration, dafür aber eine geringe räumliche Ausprägung. Welche Auswirkungen das Verbleiben toter Biomasse im
Wald für die Artenvielfalt hat, wird seit 2018 im Nationalpark Bayerischer Wald detailliert untersucht. Dazu werden Kadaver an Zufallsplätzen sowie permanent eingerichteten Luderplätzen ausgelegt. Die ausgebrachten Tiere kamen bei Verkehrsunfällen oder im Rahmen der Wildbestandsregulierung ums Leben. Ergebnisse belegten die Funktion von Aas als entscheidendes Bindeglied im Ökosystem.

ROTE-LISTE-ARTEN ZU BESUCH AM KADAVER

Eine erste Studie wies 17 aasfressende Wirbeltiere an Hirschkadavern nach. Darunter Luchs, Wildkatze, Baummarder,
Seeadler und Rotmilan – allesamt Arten, die in Deutschland auf der Roten Liste stehen. Die Tiere kamen umso häufiger, je größer der Kadaver war. Signifikant war zudem eine erhöhte Besuchsfrequenz in den Wintermonaten. Gerade dieser Punkt zeigt, dass durch die Anreicherung großer Kadaver in der kalten Jahreszeit ganz gezielt die Wirbeltier-Diversität gefördert werden kann.

INSEKTEN MIT HOHER BIOLOGISCHER VIELFALT AN FESTEN LUDERPLÄTZEN

Während es bei den Wirbeltieren keine Diversitätsunterschiede zwischen den Zufallsplätzen und den fest eingerichteten Luderplätzen gab, zeigte eine weitere Studie, dass die Insektenvielfalt an den wiederholt mit Aas bestückten Orten deutlich höher ist. Das liegt daran, dass sich dort im Boden Zersetzungsflüssigkeiten dauerhaft anreichern können. Diese Inseln dienen als wichtiger Rückzugsort, insbesondere für bedrohte Rote-Liste-Arten. Nur hier konnte etwa der Buntkäfer (Necrobia violacea) nachgewiesen werden. Forscher fanden zudem den sehr seltenen primitiven Aaskäfer (Necrophilus subterraneus) und den Scheinstutzkäfer (Sphaerites glabratus). Diese beiden Arten sind die einzigen Vertreter ihrer Gattungen in ganz Europa und neben zahlreichen weiteren kadaverbesuchenden Käfern von essentieller Bedeutung innerhalb der komplexen Zersetzungskette von Aas. Ihr Nachweis unterstreicht die Wichtigkeit von Aas zum Erhalt der Insektenbiodiversität. 

KURZ UND BÜNDIG: 

  • Aas ist ein entscheidendes Bindeglied im Ökosystem Wald.
  • Luchs, Wildkatze und Co. nutzen Kadaver vor allem im Winter als Nahrung.
  • Im Sommerhalbjahr übernehmen kadaverbesuchende Käfer einen wichtigen Job in der Zersetzungskette.

Der Text ist in der Broschüre "Forschung im Nationalpark" erschienen und kann auf der Homepage des Nationalparks Bayerischer Wald heruntergeladen werden. 

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