Tannenhäher auf dem Radar
Forschungsprojekt ist den in der Region seltenen Vögeln auf der Spur
Eintrag Nr. 13/2025
Datum: 10.04.2025
Altschönau. Das Auerhuhn meidet die Menschen. Der Haussperling sucht ihre Nähe. Es gibt aber auch Arten, die benötigen sowohl Kultur als auch Natur – wie der Tannenhäher. Mit Hilfe eines Besenderungs-Projektes wollen die Forscher des Nationalparks mehr über diese im Bayerischen Wald seltene Art erfahren.
Es ist kalt an diesem Morgen. Die dicke Nebelschicht lässt die Sonne kaum durch. Die bunten Blätter, die auf dem Boden liegen, sind gefroren. Nationalparkmitarbeiter Martin Pauli liegt auf der Lauer. In einem Haselnuss-Strauch am Rande des Schutzgebietes hat er ein kleines Tarn-Zelt aufgestellt. Seit einer halben Stunde wartet er dort drinnen darauf, dass ihm ein Tannenhäher in die „Falle“ geht. Vor dem Zelt hat er Nüsse ausgelegt, die den seltenen Vogel anlocken sollen. Darüber ist ein Netz gespannt.
Der Fang des Tages wiegt 182 Gramm
Eine Stunde später hält Martin Pauli eine weiße, kleine Stofftasche wie einen Schatz in der Hand. Der Tannenhäher muss kurzzeitig dort hinein, um sein Gewicht festzustellen. Vorsichtig hängt Pauli den Beutel an eine Handwaage. „182 Gramm“, gibt er an seinen Kollegen weiter. Der notiert alles mit, assistiert ihm. Denn für das, was Martin Pauli vorhat, braucht er mehr Hände als seine zwei. Der Tannenhäher soll besendert werden. Dies geschieht mittels eines kleinen Rucksackes, der dem Vogel auf den Rücken gepackt wird. „Den Tannenhäher selbst stört dies später nicht“, sagt Martin Pauli. „Und wir erhalten relativ einfach wertvolle Daten zum Verhalten der Vögel.“ Wo schlafen sie? Wo besorgen sie sich Nahrung? Kann man etwas tun, um ihre Lebensräume zu verbessern?
Mittlerweile hält Martin Pauli den Tannenhäher in der Hand. Als erstes bekommt der Vogel einen kleinen Ring um seinen Fuß. Nun kann er sein Leben lang eindeutig identifiziert werden. Danach wird die Schwanz- und Schnabellänge gemessen, ein Flügel fotografiert. Alles läuft nach einem bestimmten Schema ab. Dies ist der achte Tannenhäher, den Martin Pauli besendert. Dass er mittlerweile Routine in den Abläufen hat, merkt man ihm an. Seine Ruhe überträgt sich auf den Vogel, der jeden Handgriff scheinbar ungestresst über sich ergehen lässt.
Tägliche Flüge vom Lusental nach Altschönau
Erste Ergebnisse, oder besser gesagt Flugrouten von den bereits besenderten Tannenhähern, liegen Martin Pauli und seinen Kollegen schon vor. „Es ist auffällig, dass alle Vögel vom Nationalpark ins Vorfeld fliegen und wieder zurück.“ Ein Exemplar ist sogar ein Grenzgänger und düst regelmäßig durchs Lusental in den Nationalpark Šumava. Die Batterie der Sender wird über ein kleines Solarpanel gespeist. Im Winter, wenn die Tage kürzer werden, reicht das Licht zur Versorgung nicht aus und die Sender gehen in den Ruhemodus. „Dann herrscht eine Zeit lang Funkstille“, erklärt Martin Pauli. Spannend wird es dann im Frühjahr, wenn die Tannenhäher wieder auf Sendung gehen. Denn dann erhoffen sich die Forscher die Antwort auf eine Frage, die sie brennend interessiert: Wo brüten die Tannenhäher?
Die Vermutung ist, dass die Brutgebiete im Nationalpark liegen, die Tannenhäher ihre Nahrung aber im Vorfeld suchen, wo es Haselnuss-Sträucher gibt. „Das ist es, was mich an dieser Art so fasziniert. Sie braucht sowohl Nationalpark als auch Kulturlandschaft“, sagte Martin Pauli, der den Vogel nach getaner Arbeit wieder in die Freiheit entlässt. Der Tannenhäher sitzt nun auf seiner Handfläche, mit dem Durchstarten lässt er sich allerdings noch Zeit. Wohin er wohl fliegt? In ein paar Tagen wissen die Nationalparkmitarbeiter mehr. Sie haben Tannenhäher Nummer acht nun auf dem Radar.
Info: Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Nationalpark-Magazins "Unser wilder Wald". Das Magazin liegt nicht nur in der Region aus, sondern ist als ePaper-Ausgabe auch auf der Nationalpark-Homepage veröffentlicht.