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Schlitzen macht fast alle Käfer froh

Auszug aus Naturschutz-Broschüre: Nationalpark entwickelt ökologisches Buchdrucker-Management

Eintrag Nr. 41/2023
Datum:


Mit einem Motorsägen-Aufsatz zum Schlitzen der Fichtenrinde kann die Ausbreitung des Buchdruckers verhindert werden.
Mit einem Motorsägen-Aufsatz zum Schlitzen der Fichtenrinde kann die Ausbreitung des Buchdruckers verhindert werden.

Schnellkäfer Diacanthous undulatus.
Schnellkäfer Diacanthous undulatus.

Zwieslerwaldhaus. In der Ferne hört man den Großen Regen gen Tal rauschen. Im Wald ist derweil eine Försterin damit beschäftigt, ganz genau hinzuschauen. Und dann wird sie fündig. Am Stamm eines gut 100 Jahre alten Baumes zeichnet sich feines Bohrmehl ab. Dasselbe Bild findet die Nationalparkmitarbeiterin auch an vielen benachbarten Fichten. Ihr ist daher schnell klar: Hier ist der Buchdrucker am Werk. Der nicht einmal einen Zentimeter große Borkenkäfer hat das Potential, sich auch in benachbarte private Bestände auszubreiten und dort für wirtschaftliche Schäden zu sorgen. Deswegen werden ihre Kollegen hier bald aktiv werden. Auf dem Programm steht: Schlitzen für die Artenvielfalt.

IM RANDBEREICH WERDEN DIE NACHBARN GESCHÜTZT

Doch warum greift der Nationalpark überhaupt ein? Das liegt daran, dass ans Schutzgebiet auch Privatwälder grenzen, die geschützt werden sollen. Deswegen gibt es einen mindestens 500 Meter breiten Streifen am Rand des Nationalparks, indem konsequent forstliche Managementmaßnahmen durchgeführt werden. Unterm Strich heißt das: Mit Buchdruckern befallene Stämme werden entfernt, damit sich die nachkommende Generation nicht mehr ausbreiten kann. Nachteil dieser Technik: Das als Lebensraum und Nahrung für so viele Arten wichtige Totholz verschwindet aus dem Ökosystem.

KANN DAS TOTHOLZ EINFACH IM WALD BLEIBEN?

Aus Naturschutzgründen wäre es also wünschenswert, das Biomaterial nach der Buchdruckerbekämpfung im Wald zu belassen. Dafür muss aber ein Punkt wirkungsvoll erfüllt sein: Die Ausbreitung des Buchdruckers darf nicht weitergehen. Der legt seine Eier in der Rindenschicht ab, in der sich später die geschlüpften Larven sattessen. Entfernt man die Rinde hingegen komplett, hat der Borkenkäfernachwuchs keine Chance mehr. Und so hat auch der Nationalpark jahrelang in der Managementzone die Rinden von gefällten Fichten geschält und die kahlen Stämme anschließend im Wald belassen. Das war zwar ein Gewinn für die Natur, doch wissenschaftliche Untersuchungen zeigten: Gerade die Rinde ist extrem wichtig für die Entwicklung vieler teils seltener Arten.

NATIONALPARK-TECHNIK AUCH IM WIRTSCHAFTSWALD

Aus der Praxis heraus kam daraufhin die Idee auf, gefällte Borkenkäferfichten zu schlitzen. Dabei werden flächendeckend etwa einen Zentimeter breite Lücken in den Baumstamm geritzt – mit einem eigens entwickelten Motorsägen-Aufsatz. Der Großteil der Rinde bleibt also am Baum. Der Effekt ist aber ähnlich wie bei der Komplettentrindung. Weil sich die Larven nicht mehr durch die Außenhaut der Bäume fressen können, stoppt ihre Entwicklung. Forscher fanden zudem heraus, dass die restliche Artenanzahl, gerade von Holzpilzen und totholzbewohnenden Käfern, auf geschlitzten Totholzstämmen um ein Vielfaches höher ist als bei komplett entrindeten Stämmen. Daher wird in der Managementzone des Nationalparks mittlerweile bevorzugt diese Technik zur Borkenkäferbekämpfung eingesetzt. Aber auch einige Wirtschaftsforste, gerade im unwegsamen Berggelände, setzen mittlerweile auf die im Bayerwald entwickelte Methode.

Gewinner

Vom höheren Totholzangebot mit Rinde profitiert unter anderem der seltene SCHNELLKÄFER DIACANTHOUS UNDULATUS. Die Larven des Käfers entwickeln sich in Nadelbäumen – aber nur, wenn auch die Rinde am Holz verbleibt. Er ist ein typischer Bewohner naturnaher Bergwälder mit Nadelbäumen.

Vor Ort erleben

Wer sich selbst ein Bild von geschlitzten Stämmen machen will, kann diese zum Beispiel unterhalb des Kleinen Falkensteins am Wanderweg mit der Markierung „Eibe“ begutachten.

 

 

Hinweis: Dieser Text stammt aus der im Juli 2023 erschienenen Broschüre "Naturschutz im Nationalpark". Die komplette Publikation kann auf der Nationalpark-Homepage als ePaper gelesen werden.

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