Zeugen der Zeit
Frieda Euler, Rosi Wernsdorfer und Stefan Breit zu 50 Jahren Nationalpark Bayerischer Wald
Eintrag Nr. 01/2020
Datum: 07.01.2020
Neuschönau. Frieda Euler, Rosi Wernsdorfer und Stefan Breit begleiten das Entstehen und Werden des Nationalparks seit Jahrzehnten. Aus unterschiedlichen Perspektiven, mit verschiedenen Erfahrungen und persönlichen Erinnerungen – aber alle einig in der Meinung: „Zu seinem 50. Geburtstag feiern wir ein Fest!"
VOM SAISONBETRIEB ZUM LANDGASTHOF
Frieda Euler, Gastwirtin
Bernhard Grzimek war ihr einer der liebsten: „Ein feiner, eleganter Herr“, schwärmt Frieda Euler. Der berühmte Zoologe, Naturschützer und Tierfilmer hat nicht nur die Gründung des ersten Nationalparks Deutschlands mit auf den Weg gebracht, er war auch etliche Male zu Gast „beim Euler“ in Neuschönau. Freilich: „Unser Haus war damals noch bedeutend kleiner“, erinnert Chefin Frieda sich. Eine Stube mit Stammtisch und zehn Zimmern für die Sommersaison – man kam über die Runden, wenngleich mehr schlecht als recht.
Mit Gründung des Nationalparks indes kam Leben in die Region – und jahrein, jahraus ein Haufen Gäste in die Wirtschaft: Gruppenreisende, Paare, Familien, Fachleute, Naturliebhaber, Kunstschaffende, Junge und Alte. Frieda Euler mochte den Park vom ersten Tag an, auch wenn an ihrem Stammtisch bisweilen kontrovers über das Schutzgebiet diskutiert wurde.
„Unsere Region wäre ein Niemandsland ohne Nationalpark“, ist die resolute 80-Jährige überzeugt – und freut sich wie ein Kind, dass Tourismus und Wirtschaft in der Gegend boomen, weil der Park Infrastruktur schafft. Ob Franzosen, Holländer, Italiener, Engländer, Spanier, Inder und Chinesen, Prominente, Filmleute, Fotografen oder Einheimische – in Frieda Eulers Herz haben alle Menschen Platz. Und ganz besonders jene, die nach einem ereignisreichen Tag im Nationalpark bei ihr im Gasthaus einkehren.
BESTE BERATUNG AUS VORDERSTER FRONT
Rosi Wernsdorfer, Mitarbeiterin im Hans-Eisenmann-Haus
Rosi Wernsdorfer ist die Gelassenheit in Person. Die Freundlichkeit auch. Wer am Empfang im Hans-Eisenmann-Haus von ihr begrüßt wird, kann sicher sein: Er wird gut beraten und bestens auf seinen Aufenthalt im Nationalpark vorbereitet. Rosi Wernsdorfer ist Frau der ersten Stunde im Besucherzentrum Lusen – und damit Hüterin eines reichen Schatzes an Erfahrung im Umgang mit Gästen aus aller Welt.
„Meinen ersten Arbeitstag am 8. August 1983 weiß ich so gut, als wäre er gestern gewesen“, erzählt die 54-Jährige. Mit gutem Grund: Eine Woche zuvor hatte ein Gewittersturm am Fuße des Rachel unzählige Bäume auf 170 Hektar zu Boden gerissen. Doch anstatt den Windwurf aufzuarbeiten, wurde eine bis dato bahnbrechend neue Entscheidung getroffen: Auf einem Teil der Windwurffläche blieben alle Bäume liegen und die natürlichen Vorgänge sich selbst überlassen. „Dies rief nicht nur wissbegierige Besucher, sondern auch zahlreiche Kritiker auf den Plan“, erzählt Rosi Wernsdorfer, die als Ansprechpartnerin für die Sorgen, Nöte und Beschwerden der Gäste schon damals an vorderster Stelle saß. Mit guten Argumenten, großem Verständnis und stabilem Nervenkostüm.
Heute freilich ließen sich die Gegner des Schutzgebiets an wenigen Fingern abzählen – und stattdessen tausende positiv gestimmte Gäste aus erster Hand mit Informationen versorgen. Vom leichten Spaziergang bis zur einwöchigen Wandertour: Rosi Wernsdorfer stellt für jeden Anspruch und Besucherwunsch die passende Route zusammen. Weil sie als treue Mitarbeiterin den Park seit fast vier Jahrzehnten wie ihre Westentasche kennt – und besonders schöne Plätze auch gerne mal als persönlichen Geheimtipp verrät.
VOM SAULUS ZUM PAULUS
Stefan Breit, einst Nationalpark-Gegner, heute Waldführer
Der Wald ist sein Leben. Schon als Bub streunte Stefan Breit durchs „Hoiz“ rund um den Lusen, kannte jeden Forstweg blind, jede Lichtung, jeden Bachlauf, die markantesten Bäume sowieso. „Die Hochlagen waren mein Himmelreich“, schwärmt der 54-Jährige. Ein Spielplatz der tausend Möglichkeiten – bis der Nationalpark kam.
Denn: Hatten Stefan und seine Kumpels die Natur in ihrer Freizeit bislang querfeldein erkunden können, schoben die Verantwortlichen des Schutzgebiets dieser Freiheit den Riegel vor – und führten ein Wegegebot ein. „Wir Jugendlichen verstanden überhaupt nicht, dass man uns aus unserer Heimat aussperren wollte“, erzählt Stefan Breit.
So schlug seine anfängliche Verstimmung in generelles Unverständnis um – und mit Einzug des Borkenkäfers ab Mitte der 1980er Jahre in tosende Wut: „Ich saß auf dem Lusengipfel, schaute auf all die Baumleichen und musste weinen.“ Felsenfest überzeugt, von der Nationalparkleitung belogen und betrogen worden zu sein – „die hatte uns ja ein Naturparadies in Aussicht gestellt“ – schloss sich Stefan Breit den Gegnern des Nationalparks an, ging aktiv gegen dessen Erweiterung auf die Barrikaden und hielt Vorträge gegen das Schutzgebiet.
Bis er auf seinen Streifzügen durch den Wald vor gut 20 Jahren erkannte: „Hey, da ist ja was.“ Beeindruckt vom Jungwuchs zwischen den vermeintlich toten Bäumen begann Stefan Breit mit seiner ablehnenden Haltung zu hadern und schwenkte schließlich ins Gegenteil um: „Ich lernte, das große Ganze zu betrachten, und stellte fest: Hier entsteht eine wunderbar wilde Waldnatur.“ Die Stefan Breit längst in sein Herz geschlossen hat – und mittlerweile sogar an Dritte vermittelt: als Nationalpark-Waldführer, zu dem er sich vergangenen Sommer ausbilden ließ.
Dieser Artikel stammt aus der neuesten Ausgabe des Nationalpark-Magazins "Unser Wilder Wald". Das komplette Heft können Sie in unserem Download-Bereich (Link) als PDF-Dokument herunterladen.
Text: Alexandra von Poschinger