Sind Naturwälder Kohlenstoffdioxid-Schleudern?
Untersuchungen zeigen: Totholz ist keine übermäßige oder dauerhafte Kohlenstoff-Quelle
Eintrag Nr. 10/2024
Datum: 29.01.2024
Grafenau. Totholz ist ein wichtiger Lebensraum für hunderte von Insekten-, Pilz- und Vogelarten. Deshalb wird im Nationalpark Bayerischer Wald darauf geachtet, dass bei der Borkenkäferbekämpfung in der Managementzone ein Teil der Baumstämme entrindet oder geschlitzt liegen bleibt. Doch was bedeutet dies fürs Klima? Wird hier besonders viel Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt?
Zur Beantwortung dieser Frage wurde im Nationalpark im Jahr 2009 ein Forschungsprojekt gestartet, und zwar auf einer Windwurffläche am Lackaberg nahe des Großen Falkensteins. Hier hatte der Sturm Kyrill im Jahr 2007 auf großer Fläche Fichten zu Fall gebracht, die nicht aufgearbeitet, sondern liegen gelassen wurden. Mittels verschiedenster Untersuchungen konnte herausgefunden werden, welche Folgen ein abgestorbener Waldbestand für das Klima hat.
Welche Messungen wurden am Lackaberg durchgeführt?
Die Messungen von CO2 hat das Institut für Meteorologie und Klimaforschung am KIT-Campus Alpin in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark durchgeführt. Untersucht wurden auch meteorologische Größen wie Temperatur, Strahlung und Wind. Mit geeigneten Modellen war es nicht nur möglich zu berechnen, wie viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird. Es konnte auch bestimmt werden, wie viel CO2 die bereits nachwachsenden jungen Bäume und Pflanzen aufnehmen und speichern.
Wie viel CO2 gibt der Windwurf frei?
Die Forschungen ergaben, dass die jährliche Freisetzung von CO2 durch die Atmung der Pilze und Bakterien bei der Zersetzung von Totholz und Bodenhumus sowie die Atmung von jungen Fichten, Gräsern und Farnen mit geringer Schwankung bei sieben Tonnen Kohlenstoff pro Hektar liegt, das entspricht 26 Tonnen CO2. Totholz selbst hat daran den geringsten Anteil, weil es 50 bis 100 Jahre braucht, bis es vollständig zersetzt ist. Der Boden hat den größten Anteil. Insgesamt entsprechen diese 26 Tonnen CO2 der Menge, die auch aus vielen lebenden Fichtenwäldern der Nordhalbkugel jährlich freigesetzt wird. Der Unterschied zum lebenden Wald ist die vorübergehend geringe Photosynthese, also die Produktion von neuer Biomasse und von neuem Holz.
Wie lange dauert es nach einem Windwurf, bis ein Bestand wieder mehr CO2 speichert als er veratmet?
Seit dem Jahr 2017 binden die am Lackaberg zunehmend schneller nachwachsenden Bäume und Pflanzen durch Photosynthese jährlich mindestens 7 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, also genauso viel wie sie als CO2 veratmen. Das bedeutet, dass bereits zehn Jahre nach Kyrill das sturmgeworfene Waldökosystem wieder netto ein CO2-Speicher ist, der zunehmend größer werden wird.
FAZIT: Große Totholzmengen werden nach Störungsereignissen nicht zu einer übermäßigen und dauerhaften CO2-Quelle. Naturwälder mit viel Totholz sind also keine CO2-Schleudern.
SCHON GEWUSST?
30 verrottende Fichten geben in einem Jahr genau so viel CO2 frei wie eine Fichte, die im Ofen verheizt wird. Anders ist es bei der Buche: 15 verrottende Buchen geben in einem Jahr genau so viel CO2 frei wie eine Buche, die verheizt wird.
Dieser Text stammt aus der aktuellen Ausgabe des Nationalpark-Magazins "Unser wilder Wald". Die komplette Publikation ist auch als PDF-Version auf der Nationalpark-Homepage abrufbar.