Wenn die Natur erwacht
Farbexplosion im Wald: Frühlingshafte Wanderung zu Kleiner Ohe und Kleiner Au
Eintrag Nr. 02/2018
Datum: 01.04.2018
Altschönau. Es sind nur wenige Wochen im Jahr, in denen sich die Ereignisse im Nationalpark Bayerischer Wald förmlich überschlagen. Wenn der Winter weicht und dem Frühling Platz macht, schießen die Pflanzen nur so aus dem Boden. Bei einem Spaziergang rund um Altschönau kann man dieses Naturschauspiel besonders schön beobachten – auch dank zweier Projekte zur Renaturierung.
Weiß, lila, gelb, grün, rot – die Vielfalt an bunter Pracht ist im Frühling schier unerschöpflich. Sobald sich der Schnee aus den tieferen Lagen des Bayerwalds zurückzieht, startet die Natur ein wahres Feuerwerk. „Fast alles explodiert schlagartig“, erklärt Nationalpark-Botaniker Christoph Heibl. „Besonders schön kann man dies in der Nähe von unseren Fließgewässern beobachten.“ Etwa an der Kleinen Ohe.
Das Bächlein, welches über die Ilz in der Donau mündet, fließt ganz in der Nähe des Dorfs Altschönau vorbei. Am westlichen Ortsrand, in der Nähe des Landhotels Moorhof, liegt ein kleiner Parkplatz, der ein idealer Ausgangspunkt für eine leichte Wanderung ist. Dabei kann man gleich noch einen Blick auf eine Moorfläche werfen, die Kleine Au. Beide wichtigen Lebensräume haben sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Schließlich gab es hier aufwendige Maßnahmen zur Renaturierung im Rahmen des von der EU geförderten LIFE+ Projektes.
Besonders deutlich ist dies etwa an der Kleine Ohe zu sehen. Früher wurde der Bach von Menschenhand begradigt, unter anderem um Holz gen Tal zu triften. Mittlerweile fließt das Wasser hier wieder in natürlichen Bahnen. Die Ufer sind flach, das Bachbett kurvig, umgefallene Bäume hängen über der Wasseroberfläche, immer wieder gibt es Bereiche, in denen sich das kühle Nass staut, andernorts rauscht es schnell bergabwärts. Wie man das Bächlein renaturiert hat, erfahren Wanderer an einer Infotafel, die im Gelände platziert wurden. Zwischendurch gibt es immer wieder zahlreiche Frühblüher zu entdecken, denn auch die profitieren von den Maßnahmen.
Aber warum eigentlich diese Hektik bei den Pflanzen im Wald? Der Schlüssel dazu liegt im Laubaustrieb. Sobald der sich voll entfaltet, wird es dunkel am Waldboden. Also nutzen viele Blütenpflanzen die Zeit davor, die ersten Frühlingswochen, um sich fortzupflanzen. Die Energie dazu haben viele schon im Vorjahr gesammelt und in Zwiebeln oder Knollen gespeichert. So geht es dann auch ziemlich schnell, bis die Krautschicht unter den Bäumen voll in Blüte steht. Dafür ist die Farbenfülle nicht von langer Dauer. Sobald das Laubdach dichter wird, verblühen die meisten Farbtupfer am Boden auch schon wieder.
Von Haus aus weniger bunt ist es dagegen in der Kleinen Au. Auch hier hat der Mensch in der Vergangenheit massiv eingegriffen. Mithilfe von Entwässerungsgräben wurde die Fläche nahezu trockengelegt. Vor knapp zwei Jahren nun wurden die Kanäle mit knapp 50 Dämmen geschlossen. Zudem wurden die einst gepflanzten Fichten entnommen, um den natürlichen Moorbewuchs zu fördern. Seitdem erholt sich die Kleine Au langsam aber stetig. „Im Frühling ist das gerade wegen des schmelzenden Schnees gut zu sehen“, erklärt Moorexpertin Claudia Schmidt. „Der Wasserstand ist dann richtig hoch und rundherum wird’s schnell sehr grün.“ Verantwortlich dafür sind vor allem die Torfmoose, filigrane Geschöpfe, die wichtig für die Funktion des Moores als Kohlenstoffdioxidspeicher sind.
All diese kleinen Wunder der Natur kann man bei einem Spaziergang rund um Altschönau perfekt erleben. Doch was, wenn die Blühphase der Frühlingsboten dort schon vorbei ist? „Dann lohnt ein Ausflug in höhere Lagen des Nationalparks“, rät Heibl. Schließlich gilt: Umso höher man wandert, umso später dran ist die Natur. So kann es auf dem Höhenkamm des Nationalparks gut und gern ein paar Wochen länger als in den Tallagen dauern, bis die bunten Farbtupfer aus dem Boden schießen. Dieses Phänomen machen sich zum Beispiel auch die Rothirsche in der Region zu nutzen. Da das erste Grün immer am saftigsten ist, surfen die am Ende des Winters sprichwörtlich auf der grünen Welle von den Tälern in Richtung der Gipfelregionen.