Viel Aufklärung fürs Auerhuhn
Auszug aus Naturschutz-Broschüre: So funktioniert der Erhalt der Waldvögel
Eintrag Nr. 29/2023
Datum: 31.07.2023
Lindberg. Die Sonne kratzt an den letzten Schneeresten. Die Natur erwacht aus dem Winterschlaf. Und von einer Lichtung hallt ein knackendes Lied im Morgengrauen. Es kommt aus der Kehle eines stolzen Auerhahns, der mit aufgestelltem Gefieder und erhobenem Kopf um seine Hennenschar wirbt. Sechs Weibchen hat er schon zu sich hergelockt. Sie alle sollen seine Gene weitertragen. Damit es soweit kommt, zieht der Hahn eine imposante Show ab – ein Schauspiel, das jedoch im Verborgenen abläuft. Würden sich Menschen nähern, wären die Vögel längst geflohen. Und genau hier liegt die Herausforderung, die Interessen von Tier und Wanderer in Einklagung zu bringen.
VON DER DONAUEBENE IN DIE HOCHLAGEN ZURÜCKGEDRÄNGT
Der größte Hühnervogel Europas kam einst im gesamten Bayerischen Wald vor. Doch flächig leben hier schon lange keine Auerhühner mehr. Spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Population schlagartig kleiner. Aufgrund zunehmender Raumnutzung der Menschen verbunden mit dem Waldumbau hin zu Fichten-Monokulturen zogen sich die Tiere immer weiter in die Hochlagen des Bayerischen Waldes zurück. In den 1980er Jahren war schließlich ein Tiefpunkt erreicht. Nur noch eine Handvoll Vögel konnten im Nationalpark gezählt werden. Zeit einzugreifen.
BEVÖLKERUNG ENGAGIERT SICH BEIM MONITORING
Mit hohem Aufwand begann die Nationalpark¬verwaltung, Hühner auszusetzen. Der Erfolg der Aktion ist bis heute unklar. Doch zum Glück kam die Natur zu Hilfe. Aus den einst durch Aufforstung entstandenen, mittelalten und somit dunklen Forsten entwickelten sich Mitte der 1990er Jahre in den Hochlagen durch Borkenkäfer und Windwürfe lichte Bestände. Idealer Lebensraum für die gefährdeten Waldvögel, wie Daten eines langjährig etablierten Monitorings mittlerweile zeigen. Anders als mit ungenauer Balzplatzsuche nebst Tierzählung arbeiten die beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava dabei hauptsächlich mit Kot-Proben. Auch das ist ein immenser Aufwand, der aber dank vieler ehrenamtlicher Hilfe aus der Bevölkerung vor Ort regelmäßig gestemmt werden kann. Die über die gesamten Schutzgebiete und darüber hinaus gesammelten Hinterlassenschaften werden im Labor untersucht. Mittels DNA-Analysen lässt sich die gesamte Populationsgröße abschätzen. Dank Wiederfunden kann sogar die Raumnutzung einzelner Individuen beobachtet werden.
AUCH DIE AUERHÜHNER WOLLEN HOCH HINAUS
Mit der Auswertung der Monitoring- Ergebnisse beginnt der schwierige Teil der Naturschutzarbeit. Denn schnell wird klar: Nationalparkbesucher und Auerhühner haben dasselbe Interesse. Beide lieben die Berggipfel mit Aussicht. Doch wo viele Besucher sind, verschwinden die Vögel dauerhaft, weil sie mit permanenten Störungen nicht umgehen können. Es bedarf also einer gezielten Besucherlenkung, um möglichst große Rückzugsräume für die Tiere zu erhalten, gerade im harten Winter und während der Jungenaufzucht. Im Kerngebiet des Nationalparks dürfen daher ganzjährig nur die auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmten markierten Wege genutzt werden. Dafür investiert der Park viel Arbeit in Aufklärung. Besucher werden auf allen Kommunikationskanälen sowie im Gelände dafür sensibilisiert, die Regeln im Schutzgebiet einzuhalten, damit Auerhuhn und Co. dauerhaft geschützt werden können. Gerade dank der Einbindung der Bevölkerung beim Monitoring sowie der Aussagekraft der wissenschaftlichen Daten gelingt dies von Jahr zu Jahr mehr.
Gewinner
Rund 600 AUERHÜHNER gibt es aktuell im bayerisch-böhmischen Grenzgebirge. Kern der Verbreitung sind die Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava. Daneben leben die bis zu fünf Kilogramm schweren Vögel auch im Dreisessel- und Arbergebiet. Die Böhmerwaldpopulation ist damit das größte außeralpine Vorkommen in Mitteleuropa.
Vor Ort erleben
Den scheuen Waldvögeln ganz nah kommen, ohne sie zu gefährden: Geht das? Ja! Und zwar im Tier-Freigelände im Nationalparkzentrum Lusen bei Neuschönau. Hier können in der Regel beide Geschlechter der Art in einer naturnah gestalteten Voliere beobachtet werden.
Hinweis: Dieser Text stammt aus der im Juli 2023 erschienenen Broschüre "Naturschutz im Nationalpark". Die komplette Publikation kann auf der Nationalpark-Homepage als ePaper gelesen werden.