Bayerischer Wald
Ein Haus macht Schule
Jugendwaldheim „Wessely-Haus“ – Fernseher aus, Natur an!
Pressemitteilung Nr. 026/15
So ein Fallschirmtuch ist eine bunte Sache, die erleben lässt, dass vieles besser klappt, wenn man sich abstimmt und an einem Strick zieht. Damit in freier Natur zu spielen verbindet auch mit ihr. Sich in dem Tuch wie in einem luftigen, wohligen Iglu selbst unterbringen zu können, das sorgt für Staunen, was mit einfachen Mitteln statt moderner Medientechnik möglich ist. Dann geht es anschließend auch in die Felswanderzone, wo diese Ahnung noch vertieft wird: Auch Stöcke, Steine und Fichtenzapfen können Spaß machen.
Vorsichtige Schritte braucht es, um als Staffel über die grünen Tücher zu kommen, ohne in umliegender „Wildnis“ zu versinken. Die gibt es anschließend im Wald eventuell auch mit Gang durch das Moor, über luftigen Baumwipfelpfad und beim Sprung von Stein zu Stein am Lusen
Staatsminister Dr. Hans Eisenmann sprach schon in den 70er Jahren davon, dass es nötig sei, der Jugend, die von den Errungenschaften der modernen Gesellschaft geprägt werde, den Lebensraum Wald zu erschließen. Also: Handys aus, Fernseher Fehlanzeige. Im Jugendwaldheim gestaltet die Natur das Programm.
Maria Sperl, Rektorin der Grundschule in Bad Kötzting, ist zum wiederholten Male hier. Zusammen mit weiteren Lehrkräften und 34 Kindern aus ihren vierten Klassen und von der Stufe 4/5 des benachbarten Förderzentrums. Eine Hälfte von ihnen ist gerade in der Felswandergebiet unterwegs und staunt dort über die gewaltigen Felsbastionen. Die andere Hälfte macht Programm am Haus. Ein buntes Fallschirmtuch wird zum Gemeinschaftserlebnis und weitere Spiele sorgen für jede Menge Spaß. „Bei und in Bewegung sind alle gleich“, sagt Maria Sperl. Berührungsängste werden abgebaut und unterschiedliche Stärken werden statt vermeintlicher Schwächen er- und anerkannt. Letzte Woche haben sie miteinander musiziert. Auch das klappt bestens. Der inklusive Gedanke wird großgeschrieben. Ideal ist, dass die beiden Schulen in Bad Kötzting sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Keine Berührungsängste am Pausenhof und der Wechsel in Regelklassen oder die Entscheidung für mehr Förderung sind bei enger Verzahnung auch viel selbstverständlicher.
Eine noch dichtere Packung für gegenseitigen Respekt gibt es in einer Woche Jugendwaldheim. Bei dem bunten Gewusel unter dem Fallschirmtuch könnte man echt nicht sagen, wer welcher „Schultyp“ ist. Kurz vor dem Übertritt ist gerade eine sehr sensible Zeit, was die Selbstfindung betrifft. Da hält Maria Sperl auch so eine Kennenlernphase für sehr wichtig. Die gewohnte Ablenkung ist dagegen rar. Eine Art Medienfasten wird strikt durchgezogen. Und siehe da: Den Kindern fehlt nichts. Bis auf die üblichen „Heimwehwehchen“. Aber mal selbst die Betten beziehen , verantwortlich sein für Müllvermeidung und -trennung, sich ohne „Elterns“ Stütze durch den ganzen Tag zu bringen, das baut gleich mächtig auf.
Und dann ist da natürlich noch das einzigartige Programm. Mal auf den Baumwipfelpfad -super. Mal durch den Wald - abenteuerlich. Elche im Tierfreigelände - Na so was! Schaurige Geschichten am Lagerfeuer; großer Grusel und Gänsehaut. Und mal auf den Lusen; gemeinsam fast wie Mount Everest für kurze Beine. Da bleiben viele Erinnerungen hängen, die sich auch mit dem umweltpädagogischen Anspruch des Hauses verbinden. Denn sie sind draußen, sie bekommen 1:1-Heimat- und Sachkundeunterricht, der sich ganz und gar nicht wie Schule anfühlt. Mit jedem kleinen „Krabbler“ am Wegrand erhöht sich nicht nur die Zahl der interessierten Fragen sondern zugleich auch die Achtsamkeit und Wertschätzung für das kleine Krabbeltiere.
Rita Gaidies, Leiterin des Jugendwaldheims, erklärt, warum die Einrichtung auch „Wessely-Haus“ heißt: hier wurde das großzügige Erbe einer Münchener Familie dieses Namens zweckgebunden für „ökologische Zwecke“ verbaut. Als im Frühjahr 1975 die erste Klasse aus NRW hier einzog, gab es noch zehn Tage Arbeitseinsatz für Schüler, die aktiv Naturpflege zu erledigen hatten. Der Spaßfaktor war da wohl noch etwas kleiner als heutzutage. Aber der Hintergrund ist ähnlich: Man schützt, was man kennt und schätzt. Eine „Erholungswoche“ ist es immer noch nicht, sondern eine hochinteressante Erlebniszeit mit vielen spielerischen Anteilen. Der große Vorteil für die Schulen: Lehrer müssen sich nicht in dem Maß vorbereiten wie bei einer klassischen Klassenfahrt. Sie müssen keine Materialberge und Infoblätter mitbringen, weil Haus und Umfeld alles bereithalten. Der Umweltbildungsauftrag bringt es mit sich, dass Waldpädagogen und Nationalparkpraktikanten für die Gruppen kostenlos greifbar sind, die ihr Wissen und ihre Begeisterung mitgeben, und das in Programmen für jedes Alter von Grundschule bis hin zur Uni. Jährlich kommen da an die 7000 Übernachtungen zusammen. Manche Schulen buchen über Jahre hinweg, um sich das nicht entgehen zu lassen.
Die Tage sind angefüllt bis zum Rand, sagt Maria Sperl mit Kreativität, Partnerschaft und Kommunikation. Und das hält dann Jahre an, erzählen ihr später noch die Eltern: soziale Bindungen werden stärker, man setzt sich mit Natur auseinander, für Fragen zu Umwelt oder Energie wird sensibilisiert und dass ganz nebenbei, ohne dass es Lernstoff wäre. Und sie selbst sagt: „Man lernt auch umgekehrt die Kinder noch einmal von ganz neuen Seiten kennen“.
In 40 Jahren Jugendwaldheim waren mittlerweile knapp 50 000 junge Menschen hier zu Gast. Und auch die Bad Kötztinger werden wieder kommen.
Bildunterschriften:
Bild 1: So ein Fallschirmtuch ist eine bunte Sache, die erleben lässt, dass vieles besser klappt, wenn man sich abstimmt und an einem Strick zieht. Damit in freier Natur zu spielen verbindet auch mit ihr. Sich in dem Tuch wie in einem luftigen, wohligen Iglu selbst unterbringen zu können, das sorgt für Staunen, was mit einfachen Mitteln statt moderner Medientechnik möglich ist. Dann geht es anschließend auch in die Felswanderzone, wo diese Ahnung noch vertieft wird: Auch Stöcke, Steine und Fichtenzapfen können Spaß machen.
Bild 2: Vorsichtige Schritte braucht es, um als Staffel über die grünen Tücher zu kommen, ohne in umliegender „Wildnis“ zu versinken. Die gibt es anschließend im Wald eventuell auch mit Gang durch das Moor, über luftigen Baumwipfelpfad und beim Sprung von Stein zu Stein am Lusen.
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