Bayerischer Wald
Touristiker nehmen Borkenkäfermanagement unter die Lupe
Führung durchs Tier-Freigelände in Ludwigsthal - Infos zu Techniken, Gesetzgebung und Naturschutz
Pressemitteilung Nr. 73/2023
Thomas Michler, Mitarbeiter in der Stabsstelle des Nationalparks Bayerischer Wald (r.), erklärte den Mitarbeiterinnen der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald um Geschäftsführer Robert Kürzinger (2.v.l.) das Borkenkäfermanagement im Schutzgebiet. Mit dabei war Teresa Schreib (l.), beim Nationalpark zuständig für Tourismus und Regionales Netzwerk. (Foto: Nationalpark Bayerischer Wald)
Ludwigsthal. Welche Maschinen kommen im Nationalpark Bayerischer Wald zur Borkenkäferbekämpfung zum Einsatz? Warum werden manche Fichten nicht ganz abgeschnitten und bleiben als Hochstumpf im Wald stehen? Und warum ist der Buchdruckerbefall derzeit so groß? Diese und noch viel mehr Fragen hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald, die sich bei einer Führung durchs Tier-Freigelände in Ludwigsthal über das Waldmanagement rund um den Falkenstein informiert haben. Schließlich werden sie bei ihrer täglichen Arbeit mit den Urlaubsgästen mit diesen Fragen konfrontiert.
„Die Nationalparkverwaltung betreibt einen hohen Aufwand, um effektive Buchdruckerbekämpfung zu gewährleisten und gleichzeitig alle naturschutzfachlichen Aspekte zu berücksichtigen“, sagte Thomas Michler, Mitarbeiter in der Stabsstelle des Nationalparks. Grundsätzlich wird der Buchdrucker nur in der Managementzone, die bis zu 1000 Meter breit ist, bekämpft, um die Ausbreitung des Käfers auf die benachbarten Wälder zu verhindern. Dabei muss sich die Nationalparkverwaltung aber an die Natura-2000-Verordnung der EU halten. „Unser gesamter Nationalpark ist Natura-2000-Schutzgebiet, in dem Lebensräume erhalten und verbessert werden sollen.“ Eine bedeutende Rolle spielt dabei das Belassen von Totholz im Rahmen der Borkenkäferbekämpfung.
50 Kubikmeter Totholz pro Hektar sollen im Wald bleiben
Um dies zu ermöglichen, kommt häufig ein Debarking-Harvester zum Einsatz. „Diese Maschine fällt und entrindet anschließend den Baum“, erklärte Thomas Michler. Durch die Entrindung ist die Entwicklung des Borkenkäfers gestoppt und die Stämme müssen nicht abtransportiert werden. „Im Nationalpark haben wir das Ziel, im Durchschnitt mindestens 50 Kubikmeter Totholz pro Hektar im Wald zu belassen, damit seltene Arten einen Lebensraum finden.“ Eine weitere schonende Technik ist der Einsatz eines vom Nationalpark entwickelten Motorsägen-Aufsatzes, mit dem Fichten streifenförmig entrindet werden. „Auch das stoppt die Entwicklung des Buchdruckers“, so Michler. „Der Vorteil ist aber, dass ein Teil der Rinde als wertvoller Lebensraum und als Nahrungsangebot vieler totholzbewohnender Pilze und Insekten bestehen bleibt.“
Wenn es schnell gehen muss und aus Naturschutzgründen nichts dagegenspricht, kommen auch konventionelle Harvester zum Einsatz, die den Baum fällen. Totholz bleibt in diesem Fall nicht zurück, die Stämme werden verkauft und abtransportiert. „Wir haben als Schutzgebiet jedoch keinen Auftrag, das Holz wirtschaftlich zu nutzen, und versuchen, den ohnehin angespannten Holzmarkt so wenig wie möglich zu belasten.“
Wälder um Rachel und Lusen zeigen künftige Waldentwicklung
In diesem Jahr sind in der Managementzone des Nationalparks insgesamt rund 120 000 Festmeter Borkenkäferholz angefallen, rund 115 000 Festmeter wurden bereits aufgearbeitet. „Wir nehmen die Situation sehr ernst“, sagte Michler, der den Teilnehmern der Führung noch die Gründe für die Massenvermehrungen auf der gesamten nördlichen Erdhalbkugel aufzeigte. Zu heiße und trockene Sommer schwächen die Fichte. „Außerdem gab es noch nie so viele fressbare Fichten mit einem Alter von 80, 90 Jahren, wie sie der Borkenkäfer mag. Der Tisch ist reichlich gedeckt.“
Am Ende der Führung richtete sich der Blick der Touristikerinnen und Touristiker noch auf die Geschehnisse in der Naturzone, in der ökologische Störungen als natürliche Prozesse zugelassen werden und kein Borkenkäfermanagement stattfindet. „Immer wieder wollen Besucher wissen, wie sich der Wald im Bereich des Falkensteins entwickeln wird“, berichtete Robert Kürzinger, Geschäftsführer der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Touristinformationen verweisen dann auf die jungen Wälder rund um den Lusen. „Nach zehn Jahren war hier mehr Verjüngung zu sehen, als im Wirtschaftswald gepflanzt worden wäre“, ergänzte Thomas Michler, der auch auf die umfangreichen Studien zum Thema „Borkenkäfer und Tourismus“ hinwies. „20 Jahre Forschung haben ergeben, dass vom Borkenkäfer befallene Wälder keine Auswirkungen auf das Urlaubserlebnis haben.“ Dies konnte auch Robert Kürzinger bestätigen. „Auch wir haben das Gefühl, dass die Urlaubsgäste die Maßnahmen akzeptieren. Vielmehr sind sie gespannt auf die Entwicklung des Waldes. Besonders die Waldgebiete rund um Lusen und Rachel sind positive Praxisbeispiele in der Region.“
Auch bei den Menschen vor Ort hat sich die Wahrnehmung von Totholz verbessert, wie die Studien zur Akzeptanz des Nationalparks in der Region eindrucksvoll belegen: Während 2008 noch 46 Prozent der Einheimischen der Meinung waren, Totholz soll überall im Nationalpark beseitigt werden, waren im Jahr 2019 rund 65 Prozent der Ansicht, Totholz sollte nur beseitigt werden, wenn es ein Hindernis darstellt. Rund 80 Prozent der Einheimischen stimmten 2019 der Aussage zu, dass Totholz wichtig für die Biologische Vielfalt ist.
Bildunterschrift:
Thomas Michler, Mitarbeiter in der Stabsstelle des Nationalparks Bayerischer Wald (r.), erklärte den Mitarbeiterinnen der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald um Geschäftsführer Robert Kürzinger (2.v.l.) das Borkenkäfermanagement im Schutzgebiet. Mit dabei war Teresa Schreib (l.), beim Nationalpark zuständig für Tourismus und Regionales Netzwerk. (Foto: Nationalpark Bayerischer Wald)
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